Mit Geist und Buchstaben

An eine Unbekannte

A

Aus Sprachlosigkeit geboren,
ein Augenblick in wankelmütiger Umarmung,
zuwiderläuft dem kalten Ort,
an dem sich uns der Iris Farben spiegeln.

Kaum gerinnt die Zeit -
die Dauer,
trifft Blick auf Blick,
wir lassen Schatten sprechen.

Und zögerlich und stumm,
wir sitzen, tasten, fragen
schweigend zu dem Anderen hin:

Ist es die Furcht, die uns erblassen lässt -
das Welken der Magnolien?

Selbstbildnis

S

Blutverschmiert das Weiß der Augen, alles rot; schrecklich blass die neue Glatze; schützende Hand verdeckt jedes Lächeln, das falsche ganz, das wahre zeigt sich durch blutroten Blick. Lähmende Müdigkeit hält einen taglang gefangen, dass ich mehr in Gedanken lebe, als mit Händen; jeder Schritt fällt schwer, zwei zugleich unmöglich, Hilflosigkeit sperrt in ein einsames Zimmer mich, dessen Wände so...

Seitenwechsel

S

Du bist die Nacht, so hoffnungslos dunkel und selbst dein Lächeln bleibt Schatten; Du bist der Abglanz der Sonne und selbst dein Leben fürchte ich mehr als den Tod. Du bist es, die mit trüben Augen in die meinen blickt, starr, anprangernd – doch was -? Ja, ich hab es gesehen, wie der ferne Horizont schwarz anquoll und scheckig, wie die letzte Krankheit sich kündigte, todsicher… Mir...

Guten Appetit

G

Wegelagernd nach Bewandtnis
nisten im Zwiespalt der Zunge
verschlungene Wurzeln ohne Grund.

Worte,
Wurzelkreaturen,
wie Ungeheuer,
entlaufen den Mündern;
zähnefletschend packen sie zu
und beißen
und beißen.

Eine Apologie der Menschenrechte

E
Eine Apologie der Menschenrechte

Seit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom Dezember 1948 haben sich die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen dazu verpflichtet „die allgemeine Achtung und Verwirklichung der Menschenrechte durchzusetzen“. Dieser historisch einmalige Tatbestand, der als gefeierter Akt „das höchste Bestreben der Menschheit“ zum Ausdruck bringt, demaskiert auf eine höchst zynische Weise die wohl größte...

Optimismus

O

Grundlos muss er sein, vor allem tiefer als das eigne Grab; liegt man im Dreck, fühlt er sich wohler als ’ne Sau; gerade gut genug ist in der Not für ihn das Beste. In den Tiefen einer Krankheit, wenn das Blut stockt, und das Scharren im Schädel kein Ende mehr hat, stellt er behutsam dein Leben richtig auf den Kopf. Und wenn Furcht und Scham die Welt als Königspaar regieren, so gibt er dem König...

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